Montag, 18. Juli 2011

Arbeiten, um zu leben? Oder Leben, um zu arbeiten?

Zugegeben, die Antwort auf diese Frage muss jeder für sich selbst finden. Auf die Idee bin ich durch die Studie von Hofstede gekommen, in der die 5 Kulturdimensionen „Machtdistanz“, „Kollektivismus/Individualismus“, „Feminität/Maskulinität“, „Unsicherheitsvermeidung“ und „Langzeit- bzw. Kurzzeitorientierung“ beschrieben werden.
Wie Aufgaben gehandhabt werden, bei der Erledigung, beim Treffen von Entscheidungen, bei der Erziehung. All das sind Faktoren, die in einer Kultur von essentieller Bedeutung sind. Die Schwierigkeit liegt meiner Meinung nach in der Kategorisierung von Gruppen, beziehungsweise Kulturen, um situationsbedingt handeln zu können. Dadurch kommt natürlich wieder die Gefahr der Stereotypisierung zum Vorschein. Allerdings ist dieser Effekt nicht unbedingt und immer negativ zu bewerten. Wir brauchen Stereotype, um uns in unserer Umwelt besser zu Recht zu finden. Weiterhin kommt es darauf an, was mit dem Wissen über unsere kulturelle Vielfältigkeit gemacht wird. Mit dem Model von Hofstede lässt sich relativ gut herausfinden, wie zum Beispiel ein Unternehmen tickt. Denn auch da steckt mehr oder weniger Kultur drin. Wobei dieser Gedanke weiterhin mit Vorsicht zu genießen ist.
Zurück zum Thema. Nehmen wir uns die erste Kulturdimension von Hofstede vor, die Machtdistanz, so müssen wir diese vielleicht erst kurz definieren. Die Machtdistanz beschreibt das Ausmaß, bis zu welchem Grad die Mitglieder einer Gesellschaft erwarten bzw. tolerieren, dass Macht ungleich verteilt ist. Bei Kulturen mit hoher Machtdistanz ist der Grad der Toleranz ebenfalls sehr hoch. Dort herrscht eine große Ungleichheit. Das bedeutet natürlich, dass diese Kulturen sehr hierarchisch geprägt sind. Gehorsamkeit und Befehle haben einen hohen Stellenwert und die Kinder dieser Kultur werden auch dementsprechend erzogen, während in Kulturen mit einer niedrigen Machtdistanz eher mit flachen Hierarchien zu Recht kommen. Hier wird eine hohe Eigeninitiative der Mitglieder erwartet. Beziehen wir diese Dimension auf ein Unternehmen, so erwarten die Mitarbeiter in einer Unternehmenskultur mit geringer Machtdistanz, dass diese in wichtige Entscheidungen mit einbezogen werden, während in Kulturen mit hoher Machtdistanz auf die Anweisung von „Oben“ gewartet wird. Im interkulturellen Vergleich stellt sich durch die Studie von Hofstede heraus, dass Völker, wie zum Beispiel Römische, in der Gehorsamkeit eine große Rolle spielt, eine hohe Machtdistanz besitzen, wohin gegen die germanischen Völker eher als barbarisch gelten und eine geringe Machtdistanz aufweisen. Weiterhin zeigt sich, dass die Bevölkerungsgröße ebenfalls von Bedeutung ist. So neigen kleine Bevölkerungsgruppen zur geringen Machtdistanz, während große Gruppen eine hohe Machtdistanz unterstellt werden.
Die nächste Dimension ist die Individualistische/Kollektivistische. Diese beschreibt das Ausmaß der Integration einzelner Individuen im Kollektiv und manifestiert sich in der Art und Weise des menschlichen Zusammenlebens. In kollektivistischen Kulturen besitzt das Leben in Gruppen einen hohen Stellenwert, wo bei Individualisten sich das Sorgen auf das eigene Wohlbefinden und dass der Kernfamilie beschränkt. Diese begründen ihre Identität durch ihr Individuum und im Gegensatz dazu, identifizieren sich die Kollektivisten durch ihr soziales Netzwerk. Ein wichtiger Punkt ist meiner Meinung nach die Herangehensweise bei Konflikten. Während im Kollektivismus die Vermeidung von Auseinandersetzung und das Streben nach Harmonie – wobei Harmonie auf das „positive“ begrenzt ist, so kennzeichnet sich der Individualist dadurch, seine eigene Meinung frei äußern zu dürfen. Weiterhin ist anzumerken, dass die Aufgabe Vorrang zu Beziehungen hat, wobei in kollektivistischen Kulturen die Beziehung Vorrang zur Aufgabe hat. Dies hat zur Konsequenz, dass diese Kulturen einen ganz anderen Bezug zur Aufgabe bekommen und sich zunächst einmal fragen, ob diese Aufgabe für die Person überhaupt Sinn macht und ob sie nicht zu viel Zeit in Anspruch nimmt und die sozialen Kontakte dabei zu kurz kommen.
Maskulinität/Feminität beschreibt den Grad der Trennung von Geschlechterrolle. Sprechen wir von männlich und weiblich, nehmen wir direkten Bezug auf die Geschlechter. Bei Maskulinität/Feminität sind die Geschlechterrollen von wesentlicher Bedeutung. Diese Geschlechterrollen können sowohl auf den Mann, als auch auf die Frau zutreffen. Hofstede geht also so weit, dass er ganze Kulturen in maskulin oder feminin einteilt. Menschen, die eher maskulin geprägt sind, besitzen vor allem andere Werte als die Femininen. Beispielsweise ist materieller Erfolg und das Fortkommen von größerer Bedeutung, als sich um Mitmenschen zu kümmern. Zu den materiellen Dingen gehört beispielsweise auch Geld, wobei die Feminität eher Wert auf intakte Beziehungen legt. Um es vielleicht etwas klarer auszudrücken, maskuline Kulturen sind eher für eine klare Trennung von Geschlechterrollen. Zudem sind sie eher durchsetzungsstark und auf ihren materiellen Erfolg konzentriert, während femininen Kulturen mehr Bescheidenheit und eine höhere Lebensqualität zugesprochen werden. Hier können sich also auch die emotionalen Geschlechterrollen überschneiden. Gefühle haben einen höheren Stellenwert und sind nicht nur den weiblichen Geschöpfen vorbehalten. Auch der Misserfolg wird als weniger schlimm betrachtet, als in maskulinen Kulturen. Hier spiegelt sich aber auch das Motto wieder, welcher in der Überschrift zu finden ist. Welche Kultur lebt also nach Hofstede eher nach dem Motto: „Leben, um zu arbeiten“? Die Maskuline. Der für mich wichtigste Punkt ist jedoch die Art, wie mit Konflikten umgegangen wird. Werden diese in maskulinen Kulturen direkt ausgetragen, ist man bei den Feministen eher auf dem Weg der Kompromissfindung und der Bereitschaft auf eine erfolgreiche Verhandlung. Dies ist ein entscheidender Faktor, der bei Konflikten eine Rolle spielt, vor allem, wenn zwei unterschiedliche Kulturen aufeinander treffen. Man stelle sich nur vor, es treffen zwei Parteien in einer Verhandlung aufeinander, welche aber völlig verschiedene Ziele verfolgen. Das Ausmaß der Zerstörung lässt sich schon erahnen. Wahrscheinlich werden diese nicht auf einen Nenner kommen und auch nicht wieder so schnell zueinander finden.
Unsicherheitsvermeidung beschreibt das Ausmaß, in dem sich Mitglieder einer Gesellschaft durch unbekannte oder ungewisse Situation bedroht fühlen. Kulturen mit einer schwachen Ausprägung von der Unsicherheitsvermeidung sehen Dinge, die anders sind, als seltsam an, während in Kulturen mit einer starken Ausprägung diese Dinge als Bedrohung empfunden werden. Dies führt natürlich dazu, dass sie versuchen werden, diese vermeintliche Bedrohung zu bekämpfen und unter größeren Stress leiden. Weiterhin zeichnen sich solche Kulturen auch dadurch aus, dass strengere Regeln allein schon in der Erziehung der Kinder festgelegt werden und nichts dem Zufall überlassen werden soll. Um Unsicherheit zu vermeiden, werden Gedanken und Verhaltensweisen, die von den kulturellen Normen abweichen, unterdrückt. Weiterhin zeichnen sich solche Kulturen durch einen starken Widerstand vor Innovationen aus.
Um der Kritik zu entgehen, dass die Untersuchen zu stark auf westliche Standards basieren, führte Hofstede die fünfte Kulturdimension ein. Die langfristige Orientierung/kurzfristige Orientierung beschreibt die Herangehensweise in der Entscheidungsfindung in dem der zeitliche Aspekt, sowie die Wirkung einzelner Entscheidungen eine wichtige Rolle spielt. Während in Kulturen mit einer kurzfristigen Orientierung mehr Wert auf und Respekt vor Traditionen gelegt wird, werden in langfristig orientierten Kulturen die Traditionen an moderne Gegebenheiten angepasst. In unserer heutigen westlichen Kultur wird beispielsweise mehr Wert auf Nachhaltigkeit gelegt. Dieser Punkt wird im wirtschaftlichen Kontext immer wichtiger. Die Bedeutung für einen sparsameren Umgang mit unseren Ressourcen wächst zudem immer stärker an. Die Konsequenz die daraus folgt ist klar. Um den Gesamtverlauf einer Investition zu sehen, kann nicht auf ein zu rasches Ergebnis gehofft werden. Bis klar ist, ob das Ziel erreicht wird oder nicht, geht noch einige Zeit ins Land. Während Kulturen mit kurzfristiger Orientierung auf Aspekte der Vergangenheit und Gegenwart Bezug nehmen, werden in Kulturen mit langfristiger Orientierung Tugenden wie Ausdauer und Sparsamkeit hoch bewertet.
Unter Betrachtung der ersten beiden Dimensionen hat Hofstede festgestellt, dass Völker mit großer Machtdistanz eher kollektivistisch veranlagt sind. Jedoch wurde entgegen der Erwartung festgestellt, dass es keine Korrelation zwischen Maskulinität und der wirtschaftlichen Entwicklung gibt. Allerdings auch nicht bei Feminität und dem Kollektivismus.
Natürlich lassen sich mit der Kategorisierung verschiedener Kulturen allgemeine Tendenzen feststellen. Es sollte aber nicht vergessen werden, dass auch Menschen innerhalb einer Kultur anders ticken. Diese Stereotypisierung soll nicht dazu verleiten, alle Mitglieder einer Kultur über einen Kamm zu scheren. Im Unternehmen ist es weiterhin von essentieller Bedeutung, sich das Individuum in einzelnen anzuschauen. Dieses Schubladendenken kann zwar den Umgang mit anderen Kulturen erleichtern. Es sind aber immer noch Menschen, die individuelle Bedürfnisse haben und auch dementsprechend behandelt werden wollen.
Und welchem Typ ordnest du dich zu? Wahrscheinlich wirst du festgestellt haben, dass sich einige Punkte innerhalb einer Kulturdimension überschneiden. Dies macht den individuellen Charakter eines Menschen aus. Allerdings wird auch der Umgang mit anderen Menschen umso schwieriger, da meist nur Tendenzen in die eine oder in die andere Richtung bestehen. Deswegen ist auch die Kategorisierung einzelner Mitglieder einer Kultur in diese Dimensionen os gefährlich, weil sich kein Individuum in diese Schemen pressen lassen.
Quelle:
Kulturelle Faktoren in der internationalen Geschäftsentwicklung von Sebastian Vieregg
Transkulturelles Portal:
http://www.transkulturelles-portal.com/index.php/5/52

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